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Hans Rosling Factfulness
Kommentare zu Artikeln in Tichys Einblick
Lieber Herr Tichy,
Ihrer abschließenden Bemerkung „Factfulness ist ein spannendes Buch. Danach glauben Sie nicht mehr alles, was in der Zeitung steht“ möchte ich keinesfalls widersprechen, ich möchte sie aber durch Folgendes ergänzen.
Rosling geht ganz kurz auf Geschlechtsunterschiede in der mathematischen Kompetenz ein und stellt mit Verweis auf die Abbildung auf Seite 56 links unten fest, „dass sich die mathematischen Fähigkeiten von Männern und Frauen fast vollständig überschneiden. Die Mehrzahl der Frauen hat gewissermaßen einen mathematischen Zwillingsbruder: einen Mann, der hinsichtlich der mathematischen Kenntnisse und Fähigkeiten genauso abschneidet wie sie.“
Diese Aussage ist faktisch korrekt und erfreut alle politisch Korrekten.
Dennoch ist die Aussage mehr als irreführend.
Die allermeisten Menschen haben in ihrem Leben nur sehr wenig mit Mathematik zu tun. Im mittleren und unteren Leistungsbereich ist es völlig irrelevant, dass es hier genauso viele Männer wie Frauen gibt.
Gesellschaftlich relevant ist der obere, der oberste und der alleroberste Leistungsbereich.
In der Abbildung auf Seite 56 ist klar zu erkennen, dass es im oberen Bereich viel mehr Männer gibt als Frauen. Und je größer die Anforderungen, desto geringer wird der Anteil der Frauen. Im Spitzenbereich gibt es nur noch extrem wenige Frauen.
(siehe auch: https://splitter1.wordpress.com/2018/03/11/geschlechtsunterschiede-intelligenz-teil-9/ )
Die Ausführungen von Hans Rosling zu diesem Thema sind zwar faktisch korrekt, sie sind aber alles andere als Factfulness – sie sind ein Musterbeispiel für Factblindness.
Auf Seite 166ff. behandelt Rosling die 80/20-Regel, die auch als Pareto-Regel bekannt ist.
Diese Faustregel lässt sich auf zahlreiche Fälle in unterschiedlichen Lebensbereichen anwenden. Zum Beispiel erbringen häufig die besten 20 Prozent einer Gruppe etwa 80 Prozent der Gesamtleistung.
Hätte Rosling diese Regel auf die Abbildung auf Seite 56 links unten angewandt, dann wäre ihm unmittelbar klar geworden, dass seine Interpretation der Geschlechtsunterschiede die wahren Verhältnisse verschleiert und dass er die enormen Unterschiede im relevanten Bereich völlig ausblendet.
Wie gesagt: Roslings Interpretation ist ein Musterbeispiel für Factblindness.
Ich möchte daher, lieber Herr Tichy, Ihre letzte Bemerkung wie folgt ergänzen:
Factfulness ist ein spannendes und äußerst lesenswertes Buch. Aber nutzen Sie – lieber Leser – auch Ihren eigenen Verstand. Setzen Sie gelegentlich auch mal die rosarote Brille ab und schauen Sie auf die dunklen blinden Flecken, die in diesem Buche nicht zur Sprache kommen.
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Stichwörter:
Tichys Einblick, Hans Rosling, Factfulness, Intelligenz, Factblindness, Geschlechtsunterschiede